Trotztrip to Wolfsburg – So fahren Sieger raus

Zugegeben, am Anfang sah es nicht so gut aus. Nicht auf dem Parkplatz am Bruchweg, und erst recht nicht später in der Volkswagen-Arena. Aber der Reihe nach. Und das heißt in diesem Fall, dass 40 von uns Trotzköppen auf ihren Bus im regnerischen Mainz warten, dessen Fahrer Robin uns seit fast zwanzig Jahren ans Herz gewachsen ist, und dem wir deshalb blind vertrauen. In diesem Jahr sogar unter drastisch veränderten Bedingungen.

Der Busunternehmer Robin fährt 2024 eine bessere Maschine, als in den Jahren zuvor, und die will er auch gerne besser geschützt wissen, so dass die traditionell im Mittelgang aufgestellten und mit reichlich Eis und überwiegend alkoholischen Getränken befüllten Speisbütten nicht mehr erwünscht sind und durch Gefriertaschen ersetzt werden. Aber nicht nur das, 10 Plätze weniger sorgen für mehr Beinfreiheit und eine Küchenzeile statt einer Rückbank, aber auch für einen erhöhten Fahrpreis und selbstredend für einen schlechteren ökologischen Fußabdruck. Aber das ist ja alles wurscht. Entscheidend ist nur eines: Mainz 05 darf nicht absteigen, und das ist an diesem finalen 34. Spieltag noch keinesfalls gesichert. Ein Umstand, der der Partie in Wolfsburg eine ungeahnte Würze verleiht. Ungeahnt insofern, als dass der Fanblick im vergangenen Sommer wenig begeistert zur Kenntnis nahm, dass uns der Spieltagsplaner zum letzten Auswärtsspiel ausgerechnet nach Wolfsburg schickte. Dieses letzte Auswärtsspiel ist für einen echten Trotzkopp von nicht untergeordneter Bedeutung, denn es wird, wohin auch immer es führt, und welche Bedeutung auch immer es hat, traditionell als Busfahrt bestritten. Was mittlerweile oft die einzige Auswärtsbusfahrt der Saison ist, denn nach 15 Jahren ununterbrochener Bundesligazugehörigkeit ist es gar nicht mehr so leicht, die eigene Vereins-Fangemeinde in ausreichender Stückzahl zu mobilisieren. Immerhin können wir dann wahre Gastfreundschaft an den Tag legen, und so füllt nicht zum ersten Mal die Pizzeria-Elf und das Kommando Waffelheim die Lücken auf. Win-win, eindeutig, denn unsere Gäste bewähren sich mit allerhand bekömmlichen, im engen Busraum aber auch übelriechenden und kostenlos dargereichten Köstlichkeiten. Fleischwurst und Mettbrötchen mit ordentlich Zwiebelbelag mögen zur Veranschaulichung ausreichen. Aber ich schweife ab. Noch stehen wir ja am Bruchweg und warten auf unseren Robin.

Der es dieses Mal mit der Ankunftszeit nicht so genau nimmt und pünktlich eine Stunde verspätet eintrifft. Irgendwo scheint es ein Missverständnis bei der Absprache gegeben zu haben, was bei herrlichem Maiwetter womöglich leichter zu verkraften gewesen wäre. Aber es pisst eben in einem fort, nicht aus Kübeln, aber doch verlässlich, und das ist für die Laune der Beteiligten auf den ersten Metern nicht förderlich. Ich versuche es kurz mit etwas Relativierung, aber sowas verfängt selten in Situationen wie diesen, und so verhallt mein zaghaft vorgetragenes Bemühen ohne nachhaltig zu beeindrucken. In den Tagen zuvor haben die Regenmassen nämlich Teile von Rheinland-Pfalz und das halbe Saarland so sehr unter Wasser gesetzt, dass die dortigen Bewohner jetzt sicher ganz andere Sorgen bewegen als ein paar Regentropfen im oft fortgeschritten ergrauten Haupthaar und den roten Fanklamotten. Die waten nämlich zeitgleich nicht nur knietief im Wasser, sondern finden sich perspektivisch wahrscheinlich auch im nicht weniger tiefen Dispo wieder. Also so gesehen sind wir doch wahre Glückskinder, wenn auch etwas Eingeweichte, dafür aber zuversichtlich dem Klassenerhalt entgegenwartend. Und das ist ja schließlich entscheidend.

Für einen Fan gibt es mitunter nichts wichtigeres, als das nächste Spiel seines Vereins. Auch wenn es im überwiegend als dröge eingestuften Wolfsburg ausgetragen wird. Da kann das Land im Hochwasser versinken oder der iranische Präsident am Folgetag im Hubschrauber abstürzen, egal irgendwie, denn ganz oben auf der nächsten Tageszeitung soll „Mainz 05 bleibt erstklassig!“ stehen. Neulich erst schaute ich mir auf ARTE die faszinierende Doku „Fight the power – Wie Hip-Hop die Welt veränderte“ an und Chuck D von Public Enemy wird darin mit den folgenden Worten zitiert: Die Ablenkung der Massen war schon immer eine politische Waffe. Die Menschen verfolgen ihre Sportmannschaften mehr, als die Dinge, die sie jeden Tag betreffen. Oft werden Gesetzesentwürfe verabschiedet und plötzlich drehst du dich um und es gibt ein Gesetz, das nicht nur deine Gegenwart betrifft, sondern auch deine Zukunft. Ein Zitat, das darauf verweist, dass es unmöglich sein könnte, den geliebten Fußball-Sport frei von politischen Rückständen zu halten. Und ich finde mich auch selbst ertappt vom Kern der Aussage. Denn auch für mich ist ein Sieg in Wolfsburg alles, was am 18. Mai 2024 wirklich von Bedeutung ist. Ein Fan verdichtet eben das komplexe Geschehen dieser Welt, das zu verfolgen und mitzufühlen letztlich unmöglich ist und eine permanente Überforderung darstellt, zu einem Nukleus aus 90 Minuten plus Nachspielzeit, die für ihn überschaubar und emotional zu bewältigen sind. Er konzentriert alle Bedeutung auf diesen kurzen Zeitraum und die ihn umgebenden Zeiträume der Vor- und Nachbesprechung, der gemeinsamen Freude oder Frustbewältigung, je nach Ausgang, mit Freunden, Bekannten oder einfach nur anderen Fans. Also ja, ich bekenne, ich bin auch so einer, den die Ablenkung durchs Jahr trägt. Der auf diese Weise auftankt, und dessen Spieltrieb so leichter beruhigt werden kann.

Jedenfalls reime ich es mir so in etwa zurecht, dass eine Partie, die ansonsten fast niemanden in Fußballdeutschland großartig emotionalisiert hätte, wahrscheinlich nicht einmal einen Großteil der eigenen eingeschweißten Fangemeinde, nämlich Wolfsburg gegen Mainz, zum wichtigsten und einzigen! Ereignis wird, das wirklich zählt. Und obwohl es seit der Einführung der Conference-League für die meisten Mannschaften heißt, dass man entweder um Europa, oder gegen den Abstieg spielt, gibt es an diesem letzten Spieltag in der Liga fast gar nichts mehr zu verteilen, was dem Blick nach Wolfsburg zusätzliche Bedeutung verleiht.

Als der neue Luxusliner, der sich von außen gar nicht groß unterscheidet, auf dem Parkplatz einbiegt, ist die Erleichterung groß. 375 Kilometer sollen immernoch gut zu schaffen sein. Sind es letztlich auch, selbst wenn Robin, was uns schon wieder eine neue Seite von ihm offenbart, zweimal auf dieser uns überschaubar anmutenden Strecke halbstündige Pausen einlegt und sie damit begründet, dass er die gesetzlichen Vorgaben einhalten muss.

Das tolle an Busfahrten der Trotzköpp zu Auswärtsspielen ist nicht nur, dass man in bester Innenraumstimmung und umgeben von ziemlich freundlichen und netten Menschen, irgendeinen Kreisel mehrfach befährt und ratlose Autofahrer und Polizisten dabei zurücklässt, sondern generell, dass man direkt vors Stadion kutschiert wird. Man steigt aus und geht rein, sehr bequem. Alles Gepäck bleibt im Bus, der einen später zum Hotel bringt. Und dann stürzt man in irgendeiner Stadt ab, was selbst in Wolfsburg möglich ist, wenn man das überschaubare Zentrum erstmal gefunden hat. Das ist dann letztlich auch ergebnisunabhängig. Denn entweder man stößt auf den Sieg oder den Punkt an, oder häufiger, man trinkt sich die Niederlage schön.

Zuerst aber steigen wir aus, lassen die üblichen symbolischen Kontrollen über uns ergehen, und sehen auf unseren Karten, dass der Block, für den sie ausgestellt sind, natürlich längst überfüllt ist. Der übliche Servicestandard für Stehplatz-Gästefans heißt ja, dass man zusehen soll, wie man zurechtkommt, und so versuchen wir es im Nachbarblock, wo es noch deutliche Lücken gibt. Der aber wird kontrolliert, und so sehen wir uns schnell zurückgewiesen und müssen uns doch im überfüllten Block irgendwie einen Weg bahnen. Das klappt so leidlich, und irgendwo auf den komplett verstopften Zugangsstufen kommen wir schließlich zum Stehen. Sollte dieser Umstand mal irgendein dramatisches Ereignis begünstigen, die Wahrheit ist, dass es seit Jahren allen Verantwortlichen komplett egal ist. Aber das sei nur einmal kurz erwähnt, im Vordergrund steht die Feierstimmung, und das Wetter in Wolfsburg ist dankenswerterweise deutlich freundlicher, als zuvor in Mainz. Erfreulich ist auch, dass die Ultras zuvor bekanntgegeben haben, dass sie in die oberen Bereiche des Gästeblocks gehen werden. Das erspart so einem alten Knochen wie mir zum einen, dass er sich nicht an die recht dogmatischen Vorgaben für ein adäquates Fanverhalten halten muss, vor allem aber auch, dass er nichts sieht. Denn wer seine Karten über den Fanclub bezieht, der landet fast zwangsläufig dort, wo er sich ansonsten nicht so richtig zuhause fühlt, mitten im härtesten Kern der stimmungsfreudigen Fans. Rhythmisches Klatschen und eingeübte Gesänge hinter einer Vielzahl von Bannern und Fahnen sind dort obligatorisch. Wer der aus dieser Perspektive wahrscheinlich etwas uncoolen Auffassung anhängt, das wichtigste am Spiel sei eben das Spiel selbst, und es deshalb vom Anpfiff an auch gerne sehen mag, der hat halt ein wenig gelitten und steht etwas verloren im Stimmungsolymp. Dem die Wolfsburger Fans erwartungsgemäß nichts Entscheidendes entgegenzusetzen haben, und der sich im Stadion, und erst recht später am Bildschirm beeindruckend ausnimmt. Denn dieses Mal sind quasi alle aufgefordert vor dem Betreten der Blöcke noch eine eigene Fahne zu erstehen und diese dann auch bitte fleißig zu schwenken. Hat geklappt, Chapeau. Der Sicht aufs Spielfeld tuts halt trotzdem nicht gut.

Aber da hätte man ja auch in der Anfangsphase nur beobachten können, wie die Wolfsburger das Heft in die Hand nehmen und folgerichtig früh in Führung gehen. Plötzlich wird’s auffallend viel stiller, aber nur kurz. Denn jetzt findet die Mannschaft in die Spur und liefert wenig später einen blitzsauberen Ausgleich ab, direkt vor unseren Augen. Burkhardt, Amiri, Pirouette Gruda und ab mit Links ins lange Eck. Sehr geiles Tor. Gefühlt drückt der halbe Block auf meinen zarten Rücken, dazu gibt’s reichlich Bierdusche frei Haus, das gehört jetzt aber alles dazu und wird gerne genommen. Es ist eines dieser Tore, an welches man sich immer erinnern wird. Nicht nur wegen seiner Schönheit, sondern auch wegen der dazugehörigen entfesselten Freude, dem galaktischen Glücksgefühl. Gefühle, die einem das Leben ja schließlich nicht in Dauerschleife offeriert.

Meinen Mann habe ich leider schon länger verloren und weiß nichts über seinen Verbleib, da er sein Handy nicht gerne ins Stadion mitnimmt. Bis ich einen überraschenden Hinweis von einer aufmerksamen Mitfahrerin erhalte, dass er sich im Nachbarblock eingefunden hat, also dort, wo wir vorher nicht reingekommen sind. Die Halbzeit bietet dann die Möglichkeit zum Blockwechsel und siehe da, plötzlich interessiert es die Kontrolleure nicht mehr, wo man hingehört und der Zugang ist frei. Schön, dass ich den Rest dann noch mit ihm und vielen anderen Trotzköppen feiern kann. Die beiden nachfolgenden, und nicht minder wichtigen Treffer halten allerdings mit dem Kaliber des Ausgleichstreffers nicht mehr ganz mit. Zum einen sind sie auf der Gegenseite viel schwerer zu erkennen, zum anderen muss man ein wenig zittern, ob sie auch wirklich zählen. Einmal prüft der Stimmungskiller VAR auf Abseits, und einmal sind wir uns alle sicher, dass Cacis Flanke auf Gruda wohl über die Seitenlinie gesegelt ist. Aber nichts da. Alles zählt, es ist der perfekte Tag, das perfekte Ergebnis, eben das Einzige, was zählt: Ein gewonnenes Nichtabstiegsfinale, gekrönt am Ende sogar mit Platz 13, noch vor den Gladbachern. Immer wieder herrlich schwer vorauszusehen, dieser Sport. Und auch deshalb so gut. Was folgt ist wohl klar, und nur noch mit tonnenweisen Plattitüden zu beschreiben. Die man ja auch weglassen kann.

Auswärtssieg! Auswärtssieg! Auswärtssieg!

Über die verbotene Stadt unweit von Mainz lässt sich ja vieles sagen. Und ich erlaube mir als gebürtiger Mainzer sogar zu behaupten, dass es sich vortrefflich in ihr leben lässt (Hier irrt Hieronymus schon seit vielen Jahren). Vor allem aber bringt sie mit der FAZ auch eine der besten Tageszeitungen der Republik heraus. Da kann es sogar einmal unterhaltsam sein, den Sportteil zu lesen. Jener Teil einer Zeitung, der sich ansonsten meist durch humorbefreite und biedere Nacherzählung des Spielgeschehens auszeichnet. Nur noch zu toppen vom Newsletter meines Lieblingsvereins. Der FAZ war es zu verdanken, dass sie kurz vor unserem Triumph in Wolfsburg ein herrliches Streiflicht aussandte was mit dem folgenden Satz begann: Dafür, dass in Deutschland ständig über Fußball geredet wird, wird in Deutschland sehr wenig über Fußball gesagt. Ein Einstieg zum Zunge schnalzen. Danach schlägt der Autor die Brücke zum jüngst verstorbenen César Luis Menotti, dem legendären Trainer der argentinischen Nationalmannschaft, den Älteren unter uns sicher noch ein Begriff. Der Kommunist Menotti kommentierte 1978 den Weltmeistertitel seiner Mannschaft während der Militärdiktatur im Heimatland mit den Worten: Meine Spieler haben die Diktatur der Taktik und den Terror der Systeme besiegt. Da hatten die Deutschen die „Schmach von Córdoba“ gerade hinter sich und Zeitzeugen können heute noch das I wer‘ narrisch des Österreichers Edi Finger in ihren Ohren erklingen lassen, nach fast 50 Jahren vielleicht sogar langsam darüber lächeln. Aber passiert war eigentlich nicht viel, wir waren einfach nur ausgeschieden. Und weil wir amtierender Weltmeister waren und ausgerechnet Österreich unseren Abflug unterschrieb, tats halt besonders weh. Edi Finger und Hans Krankl wurden dafür unsterblich. Es war nach 47 Jahren der erste Sieg der Österreicher gegen Deutschland. Wie viel größer war aber der Titel der Argentinier während der Diktatur (selbst wenn etwas Manipulation im Spiel war)? Auch der am Spielfeldrand kettenrauchende Menotti wurde damals unsterblich. Er musste zwar immernoch vorsichtig sein, aber er war clever genug und hatte sich eine fast unantastbare Stellung geschaffen. Fußball ist ein Spiel der Freiheit, wurde er zitiert und man wünschte sich heute, dass sie sich häufiger zeigen würde, diese Freiheit. Manchmal aber blitzt sie noch auf, zum Beispiel wenn ein anarchischer Spielertyp den Gegner zu Slalomstangen degradiert, oder wenn sich ein Spieler tatsächlich mal traut etwas ins Mikro zu sagen, was nicht einstudiert klingt. Oder warum ist die Eistonne von Mertesacker so legendär? Die Freiheit, die sich aber selbst 2024 noch nicht eingelöst hat, ist das Outing eines homosexuellen Profispielers. Das hat jetzt zwar nichts mit Wolfsburg zu tun, aber es soll mir zum Ausklang der Saison noch ein paar Worte wert sein. Nicht nur, weil mich dieses Phänomen wirklich ratlos zurücklässt. Schließlich ist die Weltgeschichte voller mutiger Akteure, aber das Outing eines Fußballers soll unmöglich sein? Das kann ich nicht begreifen. Ob das Outing von dunkelhäutigen Spielern wohl auch noch nicht möglich wäre, wenn diese ihre Hautfarbe verbergen könnten? Frag nach bei Erwin Kostedde oder Gerald Asamoah. Eine aktuelle Umfrage des WDR bringt zum Vorschein, dass auch das noch ein Thema ist. Immerhin ein Fünftel der Befragten antwortet bei dieser Umfrage, dass sie sich mehr Nationalspieler mit weißer Hautfarbe wünschen. Warum, will man verzweifelt und schockiert ausrufen, warum? Welche Bedeutung hat denn die Hautfarbe eines Menschen? Sie ist ein körperliches Merkmal. Und sie kann dazu führen, dass man über unterschiedliche kulturelle Besonderheiten ins Gespräch kommt und sich womöglich sogar an ihnen erfreut. Weiter geht’s. Schön wärs. Wenn überhaupt, so würde ich sagen, dann sind dunkelhäutige Menschen eher der etwas schönere Menschenschlag, aber das ist natürlich Ansichtssache und letztlich wirklich völlig egal. Aber trotzdem will ich mir zum Abschluss die Freude machen, mal darauf hinzuweisen, dass mit Nadiem Amiri nicht nur ein für Mainzer Verhältnisse herausragender Spieler aus Leverkusen gekommen ist, sondern auch noch ein besonders gutaussehender. Schönheit auf dem Platz ist der Schönheit des Spiels ja nicht abträglich. Amiri, der als fünffacher Nationalspieler auch schon zum Missmut der 20% Weißhautbefürworter beigetragen haben dürfte, erzählt für mich eine der schöneren Integrationsgeschichten. Seine Eltern waren im Zuge der sowjetischen Intervention in Afghanistan in den 80er Jahren nach Deutschland geflüchtet.

Wohl dem, der das Glück hat, weder aus politischen, noch aus wirtschaftlichen Gründen aus seiner Heimat flüchten zu müssen. Und was für eine schöne Geschichte, wenn eines der Kinder dieser Familie irgendwann für die deutsche Nationalmannschaft aufläuft. Das Konzept, stolz auf sein Heimatland zu sein, finde ich schwierig, aber wenn, dann am ehesten für Geschichten wie diese. Und so wird für mich die Saison 2023/24 gleich in mehrfacher Hinsicht dadurch gekrönt, dass Nadiem Amiri ein paar Tage nach Wolfsburg seinen Vertrag in Mainz bis 2028 verlängert hat. Leider hat er Jonathan Tah nicht mitgebracht.

Der ist auch mit allem gesegnet, wie es scheint. Also Talent, Aussehen, Stimme, Geist und Charakter. Dass er überlegt zu den Bayern zu wechseln, wirft allerdings einen Schatten auf die ansonsten so makellose Bilanz. Dafür haben wir aber einen Silvan Widmer. Womit ich auch noch einen weißen Akzent gesetzt hätte. Und mir sicher bin, dass Widmer es ernst meint, wenn er sagt, dass er nie nach Saudi-Arabien wechseln wird. Sorry, Hacki, aber das gefällt mir. Dass die Freiheit des Geldes nicht ausschlaggebend sein muss. Dass es vielleicht um mehr gehen kann. Und damit will ich abschließend noch einmal zu Menotti überleiten. Dessen Worte (geringfügig angepasst) haben das Zeug für die Ewigkeit:

Beim Fußball der Trotzköpp spielen wir nicht einzig und allein, um zu gewinnen, sondern um besser zu werden, um Freude zu empfinden, um ein Fest zu erleben, um als Menschen zu wachsen.

Schön, oder? Und so frei! Noch Fragen?

Michael Bohl


Titelbild: Wikiolo derivative work: Hic et nuncVW-Arena (Panorama)CC BY-SA 4.0